Wer kennt ihn nicht, diesen gut gemeinten Ratschlag?
Geht es darum sich auf ein schwieriges Gespräch vorzubereiten, auf eine Sitzung, ein Vorstellungsgespräch, eine mündliche Prüfung, ein Auftritt vor Publikum, die Nervosität ist da und das Gegenüber rät:
„Sei einfach Du selbst!“
Gut gemeint, nützt dieser Rat doch wenig, denn wer könnte von sich sagen, er weiss genau wer dieses Selbst ist und dann mit dieser Rolle verschmelzen? Der Rat sich selbst zu sein, meint, man soll authentisch sein, sich nicht verstellen, nichts vorspielen was nicht da ist. Doch auch dann: Wer sind wir denn eigentlich? Wer ist dieses Selbst? Und welches Selbst ist denn das Authentische, das Eigentliche? Ist das authentische Selbst das, welches sich sicher und souverän fühlt auf der Bühne des Lebens oder ist es eher das schüchterne Selbst, das lieber erst mal in Ruhe beobachtet, um dann vielleicht später etwas zu sagen oder auch entscheidet zu schweigen? Wenn wir uns anfangen zu fragen, welches Selbst denn das Richtige, Authentische ist, merken wir recht bald, dass es dieses eine wahre Selbst gar nicht gibt und nicht geben kann. In der modernen Psychologie ist das Selbstkonzept nichts Fixes mehr. Wir nehmen in unserem Alltag so viele verschiedene Rollen, sodass wir nur schon deshalb nicht mehr von einem fixen Selbst sprechen können.
Wir bleiben immer Kinder unserer Eltern
Ein anschauliches Beispiel das alle kennen, ist die Tatsache, dass wir immer die Kinder unserer Eltern bleiben. Auch wenn wir selbst schon in der Lebensmitte oder darüber hinaus sind und vielleicht auch in die Rolle kommen die alten und kranken Eltern zu versorgen, auch dann gibt es immer noch dieses spezielle Gefühl, das uns zuweilen wieder ganz als Kind fühlen lässt. Wie wenn aufs Mal die Kindheit wieder da wäre. Das kann negativ oder positiv erlebt werden. Dieses Kind, das wir einmal waren, lebt also in uns weiter. Im Alltag zeigt sich dieses Kind vielleicht nur selten oder nie.
Wir gehen unseren Pflichten nach, arbeiten, füllen unsere Berufs- und Elternrolle aus, sind da für unseren Partner, leben das Erwachsenenleben, bis ein kleines Erlebnis, das Kind in uns weckt und eine ganz andere Seite zum Vorschein bringt. Zum Beispiel kann der Duft nach frischem Apfelkuchen dieses Gefühl wecken, wenn wir das von früher kennen, es kann aber auch ein strenger Vorgesetzter sein, der an den ebenso strengen, oder also streng wahrgenommenen, Vater erinnert und plötzlich ist dieses „Kindgefühl“ da. Die Wonnen des Apfelkuchens sind zurück oder aber das Gefühl ganz klein zu sein, der Hals ist trocken und es ist nicht möglich in dem Moment dem Vorgesetzten im sonst normalen selbstbewussten Ton zu antworten, vielleicht wird die Stimme leise und piepsig oder die Worte fehlen ganz. Ein Auslöser kann genügen um dieses Kind in uns zu triggern.
Wo war denn das Kind in der ganzen Zeit als wir unsere erwachsenen Tätigkeiten ausgeführt haben, wo geht es wieder hin, wenn der Apfelkuchen gegessen und das Gespräch mit dem Chef vorüber ist? Und wichtiger noch, wie können wir unsere kindlichen Seiten so gut kennenlernen, dass wir Sie besser kontrollieren können und so unsere Wahlfreiheit erhöhen?
Das Kind in uns
Im Seminar “Das verletzte Kind in uns” lernen wir ganz unterschiedliche Seiten von uns kennen, zum Beispiel auch dieses innere Kind, das immer da ist und sich manchmal zeigt, wenn der Apfelkuchen so gut duftet oder der Chef so streng ist. Es geht dabei nicht darum, das eine wahre Selbst zu finden, sondern die verschiedenen Aspekte des Selbst kennenzulernen und so die Grundlage zu schaffen, diese allenfalls auch zu verändern und selbst zu bestimmen, wann wir welchen Aspekt unseres Selbst auf die innere oder äussere Bühne lassen.
Quelle: Pixabay, Wikipedia